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Katalog-57

104 km lange Strecke bis zum damals zu Hamburg gehörenden Cuxhaven am 1.1.1882. Die Tätigkeit der Cuxhavener Eisenbahn-, Dampfschiff- und Hafen-AG beschränkte sich fortan auf den Ausbau des Hafens von Cuxhaven. Auch ihre Schwester- gesellschaft, die Cuxhavener Immobilien-Gesell- schaft, hatte ihren juristischen Sitz in Berlin, wo beide AG’s in Bürogemeinschaft geleitet wurden. Die Initiatoren machten das Publikum glauben (und glaubten es möglicherweise selbst), in Cux- haven werde nach Ankunft der Eisenbahn ein ungeheurer Wirtschaftsaufschwung einsetzen, von dem man mit Immobiliengeschäften profitie- ren müsse. Dazu Otto Glagau in seinem 1877 erschienenen Werk über den Börsen- und Grün- dungsschwindel: “Die Mitgründer (der Cuxhave- ner Eisenbahn) Hagenah, Schön, Langhans sowie Director David componirten auch noch in Verbin- dung mit R. A. Seelig und Eduard Stahlschmidt (Hermann Geber) die Cuxhavener Immobilien- Gesellschaft, eine Filiale der vorigen (Cuxhavener Eisenbahn), um in den neuen Weltstädten Cuxha- ven und Ritzebüttel Geschäftshäuser, Hotels etc. zu errichten. Zu diesem Zwecke ließ Herr Hagenah, der General-Entrepreneur der Bahn Stade-Cuxhaven, einige Parzellen zu dem enor- men Preise von 549.000 Thaler ankaufen, und übe- rantwortete sie für 1.530.000 Thaler, also mit einer Million Aufschlag, an Eduard Stahlschmidt (Her- mann Geber), der sie nun wieder der plötzlich aus den Coulissen tretenden Immobiliengesellschaft überließ. Herr Greve, bis dahin Commis bei Hagenah und ein junger Mensch von 25 Jahren, hatte den ersten Ankauf vermittelt und ward jetzt Director der neuen Gesellschaft. Als solcher ver- öffentlichte er in der Hamburger “Börsenhalle” die Bilanz pro 1872, in welcher zu lesen stand: “An Immobilien-Conto, Kaufpreis - 1.530.000 Thaler.” Da ereilte ihn die Nemesis in Gestalt der Staatsan- waltschaft. Was kein Staatsanwalt in Preussen fer- tig bekommen hat, vollbrachte der Oberstaatsan- walt in Hamburg, Dr. Mittelstädt, und wir bezeigen ihm hiermit unsern Respect. Trotz des famosen Actiengesetzes, ja auf Grund desselben erhob er gegen Director Greve die Anklage wegen “Ver- schleierung des Vermögensstandes der Gesell- schaft”, durch Aufstellung einer unwahren Bilanz. Der wirkliche Kaufpreis der Parcellen war ja nur 549.000 Thaler gewesen - nicht 1.530.000 Thaler, mit welchen man sie den Actionären berechnete. Was kein Gerichtshof, weder in Deutschland noch in Oesterreich, bisher glaubte ahnden zu können: die Umtriebe der Gründer - wir meinen nämlich grosse professionelle Gründer, nicht kleine dilett- antenhafte Gründlinge - that kurz und gut das Hamburger Strafgericht. Es verurteilte den Direc- tor Greve zu einem Monat Gefängniss, und das Oberappellationsgericht in Lübeck hat diese Sen- tenz einfach bestätigt. Leider vermochte die Stra- fe nicht die eigentlichen Attentäter, die Gründer zu erreichen: sie traf nur deren Werkzeug, den jungen Director Greve, der sich nun von einer durch Strohmänner gebildeten Generalversamm- lung als Märtyrer feiern liess. Mit Recht konnten Greve und seine Vertheidiger behaupten, solche “Verschleierungen” seien bei den Actiengesell- schaften von 1871/72 gang und gebe, solch falsche Bilanzen wären in Deutschland hunderte und tausende publicirt. Aber auch die Ansichten der Richter wechseln, und das Preussische Ober- tribunal hat bereits entschieden, dass der von den Gründern verschwiegene Profit als Betrug angesehen werden soll. Nun denke man sich ein- mal, dass dieses Präjudiz zur allgemeinen Anwen- dung käme - was für ein Schauspiel würden wir dann erleben! Wir würden plötzlich auf der Armensünderbank sehen tausende von reichen und vornehmen Gründern; und in den Gefängnis- sen würden als blosse Nummern figuriren und in grauen oder gestreiften Drillich umhergehen: Zei- tungsschreiber und Zeitungsbesitzer, “Volkswirt- he” und Parlaments-Mitglieder, Geheimräthe und Excellenzen, Edelleute und Grafen, geadelte Bör- sianer und baronisirte Financiers. O, das wäre ein Schauspiel für Menschen und Götter!” So weit Glagau in seiner Schilderung, in der sich die ganze Problematik der AG-Gründungen in den Gründer- jahren wiederfindet. Die Cuxhavener Immobilien- Gesellschaft selbst wartete vergeblich auf den Boom, den die Eisenbahn nach Cuxhaven bringen sollte. 1880 standen die Immobilien immer noch mit den alten überhöhten Werten zu Buche, mit der jammervollen Fußnote: “Bei der Unmöglich- keit, die einzelnen Grundstücke zur Zeit in zuver- lässiger Weise abzuschätzen, ist der Werth zu Grunde gelegt, zu welchem dieselben laut Vertrag vom 12. Juni 1872 zu Buche stehen.” Welche Iro- nie: Diesen Text verfaßte der immer noch amtie- rende Director Heinrich Greve, nachdem man ihn gerade wegen dieser Überbewertung zuvor in’s Gefängnis geschickt hatte. Große Erträge warf der Grundbesitz nicht ab, wenngleich Greve sich bemühte, wenigstens von dem aufblühenden Fischereihafen zu profitieren und noch ein Eis- haus baute. Am Ende reichte der tatsächliche Wert der Besitzungen kaum aus, die darauf lie- genden Hypothekenbelastungen abzudecken. 3,6 Mio. Mark Aktienkapital konnten die Aktionäre als verloren abschreiben. Sehr dekorative Gestaltung mit zwei Vignetten eines Uralt-Personenzuges und eines Raddamp- fers. Maße: 24,6 x 32,7 cm. Mit beiliegendem kom- pletten Kuponbogen. Nur 15 Stücke wurden 2006 gefunden! 37 Auktionshaus Gutowski • 57. Auktion Historischer Wertpapiere am 17.11.2014 Nr. 181

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