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52. Auktion am 21.1.2013

Nr. 223 Schätzpreis: 10.000,00 EUR Startpreis: 4.500,00 EUR F. Wöhlert’sche Maschinenbau- Anstalt und Eisengiesserei AG Actie 200 Thaler, Nr. 8444 Berlin, 1.2.1872 EF/VF Gründeraktie, Auflage 16.250 (R 10). Friedrich Wöhlert (1797-1877) arbeitete bis 1836 bei der Neuen Berliner Eisengießerei, wechselte dann zu August Borsig (wo er am Bau von dessen erster Lokomotive beteiligt war) und sammelte ab 1841 Erfahrungen im Bankgeschäft bei der Preußischen Seehandlungs-Societät (später die Preußische Staatsbank). 1843 gründete er an der Chaussee- straße in unmittelbarer Nachbarschaft der Borsi- g’schen Fabrik seine eigene Maschinenbau- Anstalt. Weitere Nachbarn im damals berühmten “Maschinenbau-Viertel” waren die Fabrikanten Egells mit der ersten nichtstaatlichen Gießerei und Schwartzkopff, ebenfalls eine Größe im Loko- motivbau. Neben Lokomotiven (deren erste er 1848 ablieferte) produzierte Wöhlert Werkzeug- maschinen und Eisenkonstruktionen. Angesichts seines fortgeschrittenen Alters und der ungelö- sten Nachfolger-Frage ließ er sich 1872, wie viele andere angesehene und erfolgreiche Unternehmer seiner Zeit auch, von Berufs-Gründern beschwat- zen, seine Fabrik in eine Aktiengesellschaft umwandeln zu lassen; für kurze Zeit wurde Frie- drich Wöhlert AR-Vorsitzender. Vor der bald fol- genden Krise beschäftigte die Fabrik nun über 1.000 Menschen, fast wie am Fließband lieferte sie jeden zweiten Arbeitstag eine fertige Lokomotive ab. 1880 übernahm die AG in Ostpreußen auch noch die Waggonfabrik der in Konkurs geratenen Elbinger AG für Fabrikation von Eisenbahnmateri- al (deren Vorbesitzer bis zum Konkurs 1875 der berühmt-berüchtigte Eisenbahnbaron Bethel Henry Strousberg gewesen war). Über die Wöhler- t’sche Gründung fallen zeitgenössische Berichte nicht besonders wohlwollend aus: Wie üblich kauften Hermann Geber und Consorten die Fabrik zunächst auf eigene Rechnung vor, um sie dann für die kolossale Summe von fast 10 Mio. Mark der neu gegründeten Aktiengesellschaft aufzubürden. Bald darauf ging die Lokomotivproduktion in frei- em Fall von in der Spitze 130 Maschinen auf 1 her- unter. Im letzten Jahr, für das noch Zahlen erhält- lich waren (1880), betrug der Umsatz 115.000 M. Einen Ausgleich für die dramatischen Absatzein- brüche suchte die Verwaltung in einer Ausweitung des Produktionsprogramms: Ab 1879 Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen, ab 1880 wurden auch Dampfdroschken (System Bollée) gebaut. Damit ist Wöhlert, was bisher überhaupt nicht bekannt war, zugleich auch der älteste deutsche Automobilroduzent! (Quelle: Graf von Seherr- Thoss, „Die deutsche Automobilindustrie“, DVA Stuttgart 1974). Dies war fünf Jahre bevor 1885 Daimler zum ersten Mal mit seinem Motorrad durch die Straßen von Cannstadt fuhr und Benz die ersten Probefahrten mit seinem Motorwagen machte! Dem Markterfolg des Bollée-Wöhlert- Dampfomnibus machten allerdings die Berliner Behörden ein Ende: Wegen der Beschädigungen des Straßenpflasters durch das 5-Tonnen- Ungetüm ordneten sie den Abbruch der sehr erfolgversprechenden Probefahrten des fix und fertig durchkonstruierten Fahrzeuges an. 1883, sechs Jahre nach dem Tod des alten Wöhlert und 40 Jahre nachdem er die Fabrik gegründet hatte, ging die einstmals hochbedeutende Firma endgül- tig den Bach runter: Schon Anfang 1880 war die Platzierung einer Anleihe zur Ablösung der drückendsten Schulden und zum Erwerb der Elbinger Fabrik ein Mißerfolg, Ende 1881 unter- nahm die Firma mit der (am Ende ebenfalls erfolg- losen) Ausgabe von Prioritäts-Actien einen letzten verzweifelten Versuch, ihre finanzielle Lage zu sta- bilisieren. Die AG-Gründung war von Anfang an eine solch offensichtliche Beutelschneiderei gewesen, dass schon 1872 nicht gezeichnete Teile der Aktienplatzierung wie sauer Bier angeboten werden mussten. In einer Zeit, wo üblicherweise alles überzeichnet wurde, erregte das schon Arg- wohn. Zur Rechenschaft gezogen wurde aber auch im Fall Wöhlert niemand: Als sich der Staatsan- walt mit der Sache beschäftigte, wollte keiner der Gründer den Prospekt unterzeichnet haben. „Der Prospekt scheine,“ so heißt es in Berichten darü- ber sarkastisch, „gleichsam vom Himmel gefallen zu sein“. Ein Verantwortlicher wurde schließlich gefunden und derselbe hatte den besonderen Vor- zug, dass er schon längere Zeit zuvor mit dem Pferd im Tiergarten zu Tode gestürzt war und deshalb nicht mehr widersprechen konnte. Eine finanzhisto- rische Delikatesse mit hochinteressanter Geschich- te, noch dazu grandios gestaltet mit Abb. eines Dampfschiffs und einer Lokomotive in der reich ver- zierten Ornament-Umrahmung. Maße: 25,8 x 32,5 cm. Mit restlichem Kuponbogen. Die Gründeraktien wurden 1877 anläßlich eines Kapitalschnitts 2:1 in neue 600-Mark-Aktien umgetauscht. Schon damals muß dieses bis 2004 ganz unbekannte Stück dabei vergessen worden sein. Nur 5 Stücke waren 2004 in norddeutschem Privatbesitz gefunden waren und kamen über die Jahre an den Markt. Museal. 46 Auktionshaus Gutowski • 52. Auktion Historischer Wertpapiere am 21. Januar 2013 Nr. 223

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