Brief an den Weihnachtsmann
aus der Feder von Jörg Benecke,
Vorstand der Aktien-Gesellschaft für Historische Wertpapiere, Wolfenbüttel

Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von Ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.

Würde die Weihnachtsgeschichte in der Gegenwart spielen, so würden die Vollzugsbeamten ihrem Ministerpräsidenten wohl berichten: Nach den von uns abgeschöpften Quellen sind in Jerusalem subversive Aktivitäten dreier aus der sozialen Oberschicht ihrer Herkunftsländer stammender Akademiker zu beobachten.

Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein in der Krippe mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Heute würde von behördlich nicht genehmigten Lichtzeichen im regulierten Luftraum zu reden sein, die die drei verdächtigen Männer mit Migrationshintergrund zu einem konspirativen Treffpunkt leiteten, wo sie sich ideologisch beeinflußt artikulierten und dem Kontaktmann angabegemäß verschiedene chemische Substanzen übergaben.

Mit großer Sicherheit würde anschließend im Parlament debattiert, warum Angehörige der Unterschicht ihren Nachwuchs in völlig ungeeigneten Schlafstätten ablegen. Schließlich steht der Verwahrung in einer Krippe ganz entschieden der Ministerialerlaß aufgrund der 2. ÄndVO zur 5. DurchfVO zur SäuglHygieneVO von 2002 (S. 24 Fußnote 4.3 der Neufassg. 2006) entgegen. Zu allem Überfluß, so erregte sich die Familienministerin in der Parlamentsdebatte, befinde sich besagte Krippe mit dem Kind auch noch in Räumlichkeiten, die an und für sich ausschließlich zur Zucht- und Nutzviehhaltung bestimmt seien. Eine Ganztagesbetreuung sei dort keineswegs sichergestellt. Im Gegenteil sei in den ersten Lebensmonaten der tägliche Umgang mit Ochs und Esel Ursache später nicht wieder gutzumachender Bildungsdefizite. Wozu das führe, das verdeutlichte die Ministerin mit dem vor einer Weihnachtskrippe entstandenen Honecker-Zitat: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“

Sie werden mir unschwer folgen können, liebe Leser und, o ich vergaß beinahe politisch korrekt zu sein, liebe Leserinnen: Wir leben in einer Zeit, die sich nach Kräften bemüht, an sich einfache Dinge kompliziert zu formulieren. Die Vernebelung der Sprache bewirkt die anschließende Vernebelung des Denkens. Wenn dann das Volk nach andauernder Sprachvernebelung nicht mehr versteht, worum es eigentlich geht, kann die Politik getrost jeden Schwachsinn verzapfen, ohne daß er als solcher noch erkennbar ist. Oder ist Ihnen noch klar, worum es bei der gerade dreidimensional hin- und hergezankten Gesundheitsreform im Kern eigentlich geht? Eben.

Ich verrate Ihnen deshalb mal, was ich mir letztes Jahr vom Weihnachtsmann gewünscht habe:

Lieber Weihmachtsmann, gib, daß die Parlamente und die Ministerien in eine Art Dämmerschlaf verfallen und eine Legislaturperiode lang nicht ein einziges neues Gesetz machen. Das würde mir die Gelegenheit geben, mich endlich eingehender mit den über 110.000 EU-, Bundes- und Landesgesetzen und Verordnungen zu beschäftigen, nach denen ich mich heute schon zu richten habe.

Lieber Weihnachtsmann, gib allen Menschen gleich gute Chancen. Das ist wichtig, aber es muß auch reichen, denn im Leben ist jeder selbst seines Glückes Schmied. Lieber Weihnachtsmann, verbanne das Unwort „Gerechtigkeitslücke“ aus den Köpfen und laß die Menschen endlich begreifen, daß es am Ende nur allen schlechter geht, wenn man erst mal mit der Umverteilung anfängt.

Lieber Weihnachtsmann, räum auf dieser Erde eine (möglichst weit entfernte) kleine Ecke frei für die ewig gestrigen Linken, die auch nach einem gescheiterten 40-jährigen Feldversuch immer noch an die Umverteilung glauben, damit sie sich dort eine kleine „DDR reloaded“ einrichten können. Und, lieber Weihnachtsmann, laß unsere Frau Merkel dort so oft wie möglich auf Staatsbesuch weilen, denn schon Albert Einstein sagte: „Man muß den Menschen ein Beispiel sein, wenn es sein muß, ein abschreckendes.“

Schließlich, lieber Weihnachtsmann, leg doch bitte den Gerichtsvollzieher des Hauptzollamts Braunschweig an die Kette: Ich habe 2001 aus Versehen für einen EU-Umsatz von 378,- € keine statistische Meldung abgegeben und weigere mich standhaft, deswegen Jahre später acht Seiten Formulare neu auszufüllen. Der Nutzen für unsere Volkswirtschaft will mir einfach nicht einleuchten. „Wehret den Anfängen!“, sagt da das Bundeszentralamt für Steuern angesichts dieser unerhörten Insubordination und droht mir nach Verhängung mehrerer Zwangsgelder jetzt mit Erzwingungshaft. Ungefähr 4 Manntage an Arbeitszeit hat man behördlicherseits für den 5 Jahre alten eigentlich völlig belanglosen Statistik-Fehler von 378,- € schon investiert.

Und sollte ich demnächst wirklich in der Zelle sitzen, lieber Weihnachtsmann, dann gib mir die Inspiration, dort die Fortsetzung des „Hauptmann von Köpenick“ zu schreiben. Unser Land braucht solche Literatur.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Neues Jahr. Lassen Sie sich von den historischen Wertpapieren doch auch immer mal wieder zu allen möglichen Gedanken über Geschichte, Gegenwart und Zukunft verleiten.

Ihr

Jörg Benecke


© Jörg Benecke, 2006
erschienen als Vorwort zu dem Katalog "1001 Wertpapiere"