42. Auktion am 2. November 2009
Eines der Top-Stücke der Auktion
Norddeutscher Lloyd Aktie von 1923
Sociéte Générale de Crédit Mobilier, Aktie von 1866
original signiert von Emil Péreire
Hochbedeutende Rarität, Startpreis 3.000 EUR
Emile und Isaac PéreireDie erste Aktienbank der modernen Wirtschaftsgeschichte wurde gegründet 1852 durch die Brüder Emil und Isaac Péreire nach Ideen des revolutionären Sozialisten Henri de Saint-Simon mit wohlwollender Unterstützung des Kaisers Charles-Louis-Napoléon Bonaparte (Napoleon III.), der ebenfalls ein Anhänger von Saint-Simon war. Kaiser Napoleon III. wollte eine Revolution von oben mit einer Umgestaltung der Wirtschaftsverhältnisse und der sozialen Strukturen  durchführen.

Die alteingesessene Hochfinanz, allen voran die Rothschilds, war ein Hemmschuh bei der Realisierung der großen Eisenbahn- und Industrie-Projekte. Nach den Plänen Napoleons III. und der Brüder Péreire sollte der Crédit Mobilier als Finanzierungsgesellschaft für die Industrie alle Kreditoperationen zentralisieren, die bei der Durchführung von Industrieprojekten notwendig waren, angefangen bei der Ausstattung mit dem Gründungskapital, über die Emissionen von Aktien und Obligationen, bis zur Vergabe von langfristigen Krediten. Die Industrialisierung Frankreichs – und nach Vorstellung von den Brüdern Péreire, von ganz Europa – sollte dank ausreichender Finanzierung durch den Crédit Mobilier gewährleistet werden.

Die Bank wurde als Aktiengesellschaft konzipiert, um eine breite Kapitalbasis für die Ausgabe von Obligationen und die Platzierung von Aktien zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten die Arbeiter, als die einzige wahrhaft produktive Klasse, durch den Besitz von Aktien an den Produktionsmitteln beteiligt werden! Die neue Bank wurde bei den Bürgern ein voller Erfolg. Unter der Leitung von Émile und Isaac Pereire finanzierte die Bank große Eisenbahn- und Industrie-Projekte, aber auch die Weltausstellung und den Umbau von Paris zu einer modernen Metropole des Industriezeitalters. Die Crédit Mobilier-Aktien waren sehr begehrt, da Napoleon III. und seine Regierung als Bürgen auftraten.

Bald agierten auch im benachbarten Ausland die Universalbanken nach dem Vorbild des Crédit Mobilier, zuerst 1853 in Deutschland, die von Gustav von Mevissen und Abraham Oppenheim in Darmstadt gegründete Bank für Handel und Industrie, dann 1856 die Internationale Bank in Luxemburg. 1856 erreichten die Crédit Mobilier-Aktien mit einem Kurs von 2000 Francs ihren Höchstkurs. Nach einer Fehlspekulation des Crédit Mobilier in österreichischen Staatspapieren, die nach dem verlorenen Preußisch-Österreichischen Krieg (1866) rasch an Wert einbüßten, notierten die Aktien der Bank im Jahr 1867 nur noch bei 145 Francs. Sowohl der Crédit Mobilier als auch Émile und Isaac Pereire waren am Ende.
Pierer's Universal-LexikonBereits kurze Zeit nach seiner Gründung wurde der Crédit Mobilier gebührend enzyklopädisch behandelt.
Hier können Sie einen Eintrag im Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 513-515, einsehen, veröffentlicht unter der Internetadresse http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH.

"Die Société générale de Crédit mobilier wurde durch Decret vom 18. Nov. 1852 autorisirt. An der Gründung desselben hatte Napoleon III. wesentlichen Antheil, die Idee zu dem Unternehmen rührte von Isaac Pereire her. Der Geschäftskreis der Anstalt ist folgender: Sie soll auf öffentliche Effecten u. Actien bei den industriellen od. Creditunternehmungen subscribiren od. sonst dieselben erwerben dürfen; namentlich sich bei Eisenbahn-, Kanal-, Minen- u.a. öffentlichen Arbeiten als Creditgeberin betheiligen; ferner alle diese Werthpapiere wieder veräußern od. für Anleihen verpfänden, od. gegen andere Effecten, Actien u. Obligationen austauschen, Anleihen veranstalten, u. die Unternehmung öffentlicher Arbeiten realisiren; auf öffentliche Effecten gegen Hinterlage Darlehen gewähren u. gegen solche Unterpfänder Credite u. Contocorrent eröffnen; Zahlungen u. Contocorrent empfangen; das Inkasso besorgen, Interessen u. Dividendencoupons bezahlen u. alle anderen Geschäfte für die Gesellschaft besorgen, endlich eine Depositenkasse für Creditpapiere aller Art halten. Es ist ihr gestattet, für den Betrag der erworbenen Werthpapiere ihre eigenen Obligationen auszugeben, deren Gesammtbe, trag stets durch die in dem Portofolio befindlichen Werthpapiere gedeckt sein muß. Dagegen soll sie sich anderer Unternehmungen enthalten, bes. nie Verkäufe in blanco od. Einkäufe von Prämien ausführen.

Das Stammcapital der Gesellschaft beträgt 60 Mill. Fr. in 120,000 Actien, jede zu 500 Frcs., wovon bei Gründung der Gesellschaft 1/3 ausgegeben wurde, die anderen 2/3 sollten nach Ermessen der Verwaltung, jedoch nicht unter pari, ausgegeben werden, u. unter Bevorzugung der Gründer der Gesellschaft, welchen ein Anspruch auf 1/3, u. der übrigen Actionäre der ersten 20 Mill., welchen ein Anrecht auf die anderen 2/3 zusteht. Bereits am Schlusse des Geschäftsjahres 1853 war das ganze Capital von 60 Mill. Fr. bis auf einen Restbetrag von 3,496,125 Fr., welcher gleichfalls im Laufe des Jahres 1854 einging, realisirt.

Dem Staate erwies die neu errichtete Anstalt für die ihr ertheilten ausgedehnten Befugnisse einen wesentlichen Dienst dadurch, daß sie durch ihre Operationen den Curs der Renten in die Höhe brachte. Sie erreichte diesen Zweck hauptsächlich durch Beleihung der Börseneffecten, namentlich Staatspapiere, in ausgedehntem Maße, wodurch der Report, welcher sonst 12–15 Proc. eintrug, unter 3 Proc. herabgedrückt wurde, ein Unterschied, der dem Curs der Papiere zu Gute kam; deshalb führte auch der Crédit mobilier ursprünglich den Namen Reportbank. Das glänzende Programm, mit welchem die Gesellschaft bei ihrer Gründung auftrat, die Aussicht auf hohe Dividenden, welche bei der nach allen Richtungen hin zu verwendenden Capitalmacht des Institutes scheinbar unausbleiblich waren, die Unterstützung, welche das Institut von Seiten der Regierung genoß, verfehlte nicht, die Capitalinhaber anzulocken u. den Curs der Actien zu schwindelhafter Höhe zu treiben. Nüchterne Geschäftsleute sahen die Sache indeß von einem anderen Standpunkte an. Bei den ausgedehnten Befugnissen der Gesellschaft, namentlich Speculationsgeschäfte zu treiben, lag die Gefahr bedeutender Verluste nahe, u. das Vertrauen der Actionäre gründete sich fast ganz allein auf die geschäftliche Tüchtigkeit der Männer, welche an der Spitze der Gesellschaft standen, u. auf die Überzeugung, daß dieselben nicht zum Nachtheile der Gesellschaft ihren privaten Vortheil suchen würden.

Indessen wurden die Besorgnisse vor Verlusten in den ersten Jahren keineswegs gerechtfertigt, vielmehr stieg die Höhe der Dividende fort u. fort. Im Jahre 1853 betrug der Reingewinn 31/2 Mill. Fr., im Jahre 1854 7,800,000 Fr. u. 1855 über 29 Mill. Fr.; doch war aus dem Rechenschaftsbericht nicht ersichtlich, auf welche Art ein solch unerhörter Gewinn erzielt worden war, weshalb es auch nicht an Leuten fehlte, welche die Richtigkeit der Rechnung bezweifelten (*1. siehe weiter unten, was Karl Marx darüber geschrieben hat).

Zugleich erregte die Art u. Weise Anstoß, in welcher der Crédit mobilier seine Capitalmacht sehr oft benutzte; es wurden nämlich von ihm manche industrielle Unternehmungen ins Leben gerufen, nicht weil ein Bedürfniß dazu vorhanden war, sondern um an den Actien einen Gewinn zu machen. Der Glaube an die Untrüglichkeit seiner Speculationen rief eine starke Betheiligung an derartigen Unternehmungen hervor, welche sich später als unproductiv erwiesen. Der Crédit mobilier nahm den Moment, wo die Actien einen hohen Curs erreicht hatten, zum Verlauf derselben wahr, um dann die von ihm geschaffene Unternehmung ihrem Schicksal zu überlassen; zwar wußten die Vertreter der Anstalt dies Verfahren durch das Vorgeben zu entschuldigen, der Zweck der Gesellschaft sei eben nur das Capital zu mobilisiren, nicht das eigene Capital in den von ihr unterstützten od. neugeschaffenen Unternehmungen fest anzulegen; indeß liegt es auf der Hand, daß eine solche Parforce-Mobilisirung des Capitals für die Industrie von nur sehr zweifelhaftem Werthe sein kann, denn das Capital, was ehedem in Privathänden nutzbringend angelegt war, wird, durch die Aussicht auf höheren Gewinn verlockt, diesem entzogen, um, in Massen angehäuft, entweder zu Börsenoperationen verwandt od. in Unternehmungen angelegt zu werden, welche nur geschaffen wurden, um das angehäufte Capital, gleichviel ob productiv od. unproductiv, unterzubringen. Es griff daher immer mehr die Überzeugung Platz, daß die großartige Unterstützung der Industrie, welche der Crédit mobilier versprach, nicht viel mehr als ein Aushängeschild sei u. daß als die eigentliche Operationsbasis desselben die Börse angesehen werden müsse...

...Die Sucht nach mühelosem Gewinn trat an die Stelle fruchtbringender Arbeit, so daß der materielle Vortheil des Instituts reichlich durch die moralischen Nachtheile aufgewogen wurde, bis endlich die Regierung sich im März 1856 genöthigt sah, der Speculation, die sie vorher unterstützt hatte, durch restrictive Maßregeln Zügel anzulegen. Ähnliche Institute wie der Crédit mobilier entstanden von 1853 bis 1856 größtentheils in Deutschland; sie hatten bei ihrer Gründung durchgängig die Meinung namentlich der kleinen Speculanten für sich, u. bei Ausgabe der Actien wurde der Curs fast immer weit über das Pari getrieben, so daß die Gründer solcher Gesellschaften durch den Verkauf der ihnen reservirten Actien im Voraus einen erheblichen Gewinn machten...
Karl Marx*1   Im Juni 1856 schrieb Karl Marx seine Bemerkungen zu dem bemerkenswerten Erfolg des neu gegründeten Crèdit Mobilier, die in der "New-York Daily Tribune" Nr. 4735 vom 21. Juni 1856 erschienen ist (die nachfolgende deutschsprachige Übesetzung wurde der Internetseite www.mlwerke.de entnommen):

Passiva am 31. Dez. 1855
Gesellschaftskapital
60.000.000,00 frs.
Der Kontokorrent-Saldo stieg seit dem 31. Dez. 1854 von 64.924.379 frs. auf
103.179.308,64 frs.
Betrag der fälligen Wechsel der Kreditoren und der Kontiprodiverses
864.414,81 frs.
Rücklage
1 .696.083,59 frs.
Gesamtbetrag der 1855 realisierten Gewinne nach Abzug der Summe, die der Rücklage zuzuführen ist
26.827.901,32 frs.
Passiva insgesamt
192.567.708,36 frs.
Aktiva
Im Portefeuille: 1. Renten
40.069.264,40 frs.
2. Obligationen
32.844.600,20 frs.
3. Eisenbahn- und andere Aktien
59.431.593,66 frs.
Insgesamt
132.345.458,26 frs.
Davon sind die Einschüsse abzuziehen, die bis zum 31. Dez. v.J. nicht aufgerufen worden sind
31.166.718,62 frs.
Aktivsaldo
101.178.739,64 frs.
Befristete Anlagen in Schatzanweisungen, Prolongationen, Darlehen auf Aktien, Obligationen etc.
84.325.390,09 frs.
Wert des Grund- und Hausbesitzes und des Mobiliars
1.082.219,37 frs.
Verfügbarer Kassen- und Bankbestand sowie der Betrag der bis zum 31. Dez. v.J. eingenommenen Dividenden
 5.981.359,26 frs.
Aktiva insgesamt
192.567.708,36 frs.
Gesamtbetrag der Renten, Aktien und Obligationen im Portefeuille am 31. Dez. 1854
57.460.092,94 frs.
Durch Zeichnungen und Ankäufe im Jahre 1855 vermehrt um
265.820.907,03 frs.
Insgesamt
323.280.999,97 frs.
Betrag der Realisationen *
217.002.431,34 frs.
Dazu der Betrag der im Portefeuille befindlichen Wertpapiere von
132.345.458,26 frs.
349.347.889,60 frs.
Ergibt einen Gewinn von
26.066.889,63 frs.
* In Ländereien etc. angelegte Gelder

Ein Profit von 26 Millionen auf ein Kapital von 60 Millionen - also ein Profit von 43,33%, das sind in der Tat faszinierende Zahlen. Und was hat nicht alles dieser wunderbare [Crédit] mobilier mit seinem großartigen Kapital von etwa zwölf Millionen Dollar zuwege gebracht! Er hat mit sechzig Millionen Francs in den Händen auf die französischen Anleihen zuerst 250 Millionen und dann noch 375 Millionen gezeichnet; er hat einen Anteil an den Haupteisenbahnen Frankreichs erworben; er hat die Ausgabe der Anleihe übernommen, die von der Gesellschaft der österreichischen Staatsbahnen aufgenommen wurde; er ist Teilhaber der Schweizer West- und Zentralbahn geworden; er nimmt an einem bedeutenden Unternehmen teil, dessen Ziel die Kanalisierung des Ebro von Saragossa bis zum Mittelmeer ist; er hatte bei der Fusion der Omnibusunternehmen von Paris und bei der Gründung der Allgemeinen Schiffahrtskompanie seine Hand im Spiel; er hat durch sein Eingreifen die Fusion aller ehemaligen Gasgesellschaften von Paris zu einem einzigen Unternehmen zustande gebracht; er hat, wie er sagt, dem Volk 500.000 Francs geschenkt, indem er ihm Korn unter dem Marktpreis verkaufte; er hat durch seine Anleihen über Krieg und Frieden entschieden, neue Eisenbahnlinien geschaffen und alte gestützt, Städte beleuchtet, einen Anstoß zur Entwicklung der Industrie und zu kommerziellen Spekulationen gegeben und schließlich seinen Einfluß über die Grenzen Frankreichs ausgedehnt und den fruchtbringenden Samen ähnlicher Institutionen über den ganzen europäischen Kontinent ausgestreut...


Ebenfalls lesenswert:

"Der französische Crédit mobilier" von Karl Marx, zweiter Artikel; geschrieben am 12 Juni 1856, erschienen in der "New-York Daily Tribune" Nr. 4737 vom 24. Juni 1856: www.mlwerke.de

"Der französische Crédit mobilier" von Karl Marx, dritter Artikel; geschrieben um Ende Juni 1856, erschienen in der "New-York Daily Tribune" Nr. 4751 vom 11. Juli 1856: www.mlwerke.de

Zurück zur Startseite